Geschichte der Handhelds

25.08.2006, joker1000
Mit modernster Technik und coolem Design sind Handhelds nach gut 25 Jahren endlich erwachsen geworden. Spaß haben die kleinen Konsolen allerdings schon immer gemacht – Werfen wir einen Blick zurück auf 25 Jahre tragbare Spielerei.

MB präsentiert

Lange Jahre besaß Nintendo das Mobilspiel-Monopol: Der Game Boy wird seit 1989 in immer neuen, abwärtskompatiblen Varianten veröffentlicht und gönnte der viel k(n)öpfigen Konkurrenz bislang keine Chance. In diesem Jahr setzten wieder ein paar unentwegte Hersteller zum Sturz des Handheld – Primus an, allen voran Sony. Deren Videospiel-Walkman PSP, Nintendos Gegenmaßnahmen, das Underdog-Allroundgerät Gizmondo und Topwaves Spiele Palmtop Zoodiac wirbeln 2006 den Markt für mobile Spielgeräte mächtig durcheinander – ein guter Grund für uns, die Geschichte der tragbaren Konsolen Revue passieren zu lassen und die besten Handheld-Titel der vergangen 25 Jahre vorzustellen. Wer Handheld sagt, meint gewöhnlich Game Boy – Nintendos portable Mini-Konsole hat Videospiele zum Massen-Zeitvertreib für Bus, Bahn, und Baggersee gemacht. Über 120 Millionen Mal wurde die simplen grauen Spielgeräte und ihre bunten Nachfolger verkauft.

Doch Nintendo gebührt nicht die Ehre, den ersten Handhelden mit austauschbaren Spielen auf den Markt gebracht zu haben. Milton Bradley – einstiger Spielzeugriese (über 30 jährige erinnern sich an die Werbespots mit dem Gong-Schlag) und heutige Hasbro-Marke veröffentlichte 1979 mit dem Microvision das erste Mobilspiel mit Modulen. Die waren nicht wie heute üblich nur ein Speicherbaustein im Kunststoffmantel, sondern bildeten zusammen mit dem Prozessor einer Glasscheibe und viel Plastik Drumherum die längliche austauschbare Vorderfront des Geräts. Neben einer Handvoll System-Tasten diente ein Drehknopf zur Steuerung, die Action f and auf einem schwarz-weißen- LCD statt, das aus 16×16 Feldern aufgebaut war. Die Folge: Grobe Klötzchengrafik aus maximalen 256 Pixeln, ein knappes Dutzend simpler Spiele, wie Bowling oder Breakout und ein schnelles Vergessen nach nur zwei Jahren in den Regalen der Spielzeughändler.

MB Microvision

MB Microvision

Die erfolgreichste Konsole der Welt

Niedlichere und feinere Handheld-Grafik war Anfang der 1980er nur bei pixel- und modullosen LCD-Spielen wie Nintendos Game & Watch – Reihe zu finden. Zwar gab es bei Geschicklichkeitstests wie Fire oder Egg keine freie Bewegung (die Spielelemente wurden hier wie die Balken eines Taschenrechner-Displays an bzw. abgeschaltet), das simple Prinzip machte aber süchtig und spornte zu immer wieder neuen Highscores an. Heute sind die insgesamt 60 Geräte, die es in allerlei Varianten wie Multiscreen (zwei zusammenhängende Bildschirme) oder Versus (über kleine Gamepads wird gegeneinander gespielt) gibt, gefragte Sammlerstücke für die schon mal dreistellige Beträge über den Tisch gehen. Die schnuckeligen Mobilspiele sind, auch historisch interessant, denn sie wurden von Gunpei Yokoi erfunden einem der bedeutendsten Nintendo-Mitarbeiter. Der 1997 verstorbene Japaner entwickelte auch das Pad-Steuerkreuz, den erfolgreichen Game Boy, die gescheiterte 3D-Konsole Virtual Boy und – nach seinem Abschied von Nintendo – das Bandai Handheld Wonderswan.

Nach dem Game & Watch Boom Anfang der Achtziger, der mit dem Videospiel-Crash 1984 endete, tat sich lange nichts auf dem Handheld-Markt. Erst der Game Boy machte 1989 das Spielen an der frischen Luft wieder populär: Trotz farbloser Optik – nur vier Grau-Schattierungen konnte die Konsole 8-Bit darstellen – und kümmerliche 13 Kilobyte RAM dominierte das Gerät im grauen Gehäuse beinahe zehn Jahre lang den Markt. Der Erfolg hatte anfangs nur einen Namen: Tetris. Das geniale russische Knobelspiel wurde dem Grundgerät beigelegt und verführte Menschen von 8 bis 80 zum stundenlangen Game Boy-Zocken. Doch auch viele andere Perlen erschienen für den kleinen Spaßmacher: Der Nintendo-Klempner hüpfte sich durch zwei Super Mario-Episoden, von Parodius bis R-Type wurde klassisch geballert, unzählige Videospiel-Veteranen und Bestseller-Marken wie von Mega Man über Link bis zu den Ninja Turtles machten dem Game Boy ihre Aufwartung.

Als Mitte der Neunziger die Zeit reif war, für ein modernes Handheld mit leuchtenden Farben und 16-Bit-Power, geschah bei Nintendo nichts. Denn noch bevor die Japaner sich mit einer neuen Hardware beweisen mussten, brach in Japan das Zeitalter der Pokemon an. Der Siegeszug der Hosentaschenmonster begann 1996 und verhinderte ein halbes Jahrzehnt den Anbruch einer neuen Handheld-Generation. Stattdessen erschienen im gleichen Jahr mit den Game Boy Pocket ein schickeres und kleineres schwarz-weiß- Gerät und 1998 schließlich der Game Boy Color, auf dem 56 Farben gleichzeitig dargestellt werden konnten. Bunte Neuauflagen von Klassikern wie Tetris, Handheld-Debüts von Rayman oder Tomb Raider und immer neue Varianten der Pokemon verlängerten das Leben der längst überholten 8-Bit-Technologie. Erst im Jahr 2001 erschien mit dem Game Boy Advance ein echter Next-Generation-Nachfolger.

Game Boy Color

Game Boy Color

Bunt und erfolglos

Sony ist nicht die erste Firma, die Nintendos Vormachtstellung im Handheld-Sektor brechen will. Bereits in der ersten Anfangszeit des Game Boy versuchten zwei namhafte Konkurrenten ihr Glück – und gingen mit mehr oder weniger wehenden Fahnen unter. Atari trat 1989 mit dem Lynx in den Ring, einen wuchtigen Farb-Handheld das von zwei Veteranen aus dem Entwicklerteam des Commodore Amiga entworfen wurde (und ursprünglich Handy hieß). Mit Automaten-Umsetzungen wie Xybots und Klax, dem Activision-Knobler Shanghai oder Tecmos Ninja Gaiden wurden für das Lynx eine ganze Reihe ordentlicher Spiele veröffentlicht – allerdings saugte die luxuriöse Technik sechs Mignon-Batterien in Windeseile leer, allein zwei Drittel des Stromes flossen in die Hintergrundbeleuchtung des Displays

Atari Lynx

Atari Lynx

Das Energiesparwunder Game Boy hielt dagegen mit nur zwei Batterien, die dreimal so lange durchhielten – zugunsten der Laufzeit weigerten sich die Nintendo-Entwickler bis zum Akku gespeisten GBA SP ihren Handheld-Bildschirmen eine Beleuchtung zu gönnen. Zwar veröffentlichte Atari nach zwei Jahren eine etwas kleinere und leichtere Variante, die geringfügig weniger Strom verbrauchte und einen zusätzlichen Knopf zum Abschalten des Displays bot. Der Lynx 2 aber konnte das gnadenlose Scheitern Ataris im Handheld-Markt nicht verhindern. Fehlende Unterstützung durch Dritthersteller und mangelndes Interesse der Spieler machten dem Lynx nach fünf Jahren und 75 Spielen endgültig den Garaus.

Segas Handheld Versuch

Auch Sega konnte sich nicht als zweite Macht im Mobil-Markt etablieren. Konnte mit dem 1990 in Japan und 1992 in Europa veröffentlichten Game Gear aber zumindest erfolgreicher als die US Konkurrenz sein. Die Technik des dezent klobigen Geräts basierte auf Segas 8-Bit-Konsole Master System, allerdings konnten die Mobilspiel-Entwickler aus einer 16 mal größeren Farbpalette wählen. Die Folg: Über einen speziellen Master-Gear-Konverter konnten zwar Master-System-Module auf dem Game Gear verwendet werden, umgekehrt liefen aber die Handheld-Spiele auf der Heimkonsole nicht.

SEGA Game Gear

SEGA Game Gear

Über 300 Titel erschienen für Segas Handheld, vor allem Arcadespiele- Sega Fans bekamen etliche Perlen geboten: Die Knobelei Colums diverse Sonic Titel, klassische Rollenspielkost wie Shining Force, Phantasy Star oder Lunar sowie die Umsetzung berühmter Marken wie Ecco und Aleste. Doch auch das Game Gear fiel wegen seiner Sperrigkeit und dem hohen Batterieverbrauch bei der Masse der Mobilspieler durch. USA-exklusiv versuchte Sega dennoch einen zweiten Anlauf im Handheld-Sektor: 1995 wurde der Nomad veröffentlicht, im Prinzip nichts anderes als ein tragbares Mega Drive mit LCD-Bildschirm. Wegen des Gewichts von über 800 Gram, gewaltigem Energieverbrauch, einem zu hohem Startpreis von 180 $ und dem nahenden Ende der Mega-Drive-Ära scheiterte das Gerät in kürzester Zeit.

Europa ohne Wahl

Bei uns ist Nintendo seit rund zehn Jahren Alleinherrscher des Mobilbereichs, in den USA, Korea und vor allem in Japan hatten Handheld-Fans in der jüngeren Vergangenheit genug Alternativen zum Game Boy. Nach einigen Erfahrungen im Verkauf billiger LCD-Spielchen wagte sich der Spielkonzern Tiger in Nordamerika an die Veröffentlichung einer tragbaren Modulkonsole. Trotz Touchscreen, Internet – und Organizer-Funktionen sowie berühmt-berüchtigte Spieletiteln wie Resident Evil, Duke Nukem oder Mortal Kombat scheiterte das Game.com, so der Name der Konsole, jedoch gnadenlos, auch eine moderne zweite Variante änderte nichts am wenig beklagten Tod im Jahr 2000. Die Mörder des Game.com waren fehlende Werbung, dürftiger Vertrieb und Vier-Graustufen-Optik heute taugt das Gerät noch nicht mal als Sammlerobjekt, wie die mickrigen Ebay-Preise zeigen.

Game.com

Game.com

Auch der ehemalige Automaten-Macher-SNK scheiterte mit der Einführung einer Mobil-Konsole: 1995 veröffentlichten die Japaner das Neo Geo Pocket, ein hübsches schwarz-weiß-Handheld mit kurzem Digital-Stick, das bereits ein Jahr später durch die Farbvariante Neo Geo Pocket Color ersetzt wurde. Vor allem di F ans der exquisiten Arcade-Konsole Neo Geo griffen zu – schließlich durften all die bekannten SNK-Marken von Samurai Showdown, über King of Fighters bis Metal Slug mobil gespielt werden. Richt auf Touren kam das Gerät (trotz einer dem Game Boy Color überlegene Batterielaufzeit) dennoch nicht, nur einige Entwickler gaben dem Neo Geo Pocket Color eine Chance und mit dem Ende der Mutterfirma 2001 hatte sich auch das Handheld-Thema erledigt. Der Sargnagel des Neo Geo Pocket Color in Japan war die Konkurrenz-Konsole Wonderswan von Bandai.

NeoGeo Pocket Color

NeoGeo Pocket Color

Bandais Standversuch

1999 veröffentlichte der japanische Spielzeugriese das mit einen schwarz-weißen-Bildschirm ausgestattete 16-Bit-Gerät- die letzte Arbeit des zum Start bereits verstorbenen Ex-Nintendo-Mannes Gunpei Yokoi (geistiger Vater der Metroid-Serie). Das interessanteste Feature des Wonderswan: War es, durch insgesamt zehn geschickt verteilte Actionbuttons ließ er sich sowohl quer als auch hochkant spielen. Schon ein Jahr später folgte der Wonderswan Color und mit ihm diverse Final-Fantasy-Teile. Die Ära des Wonderswan von Bandai ist mittlerweile zwar vorbei, 2003 wurden aber immerhin noch 47.000 Stück in Japan verkauft – die XBOX kam in diesem Jahr gerade mal auf die doppelte Stückzahl.

Wonderswan Color

Wonderswan Color

Auch (vor dem N-Gage) letzte große Sturm auf die Nintendo-Bastion scheiterte: Der koreanische Hersteller Gamepark veröffentlichte 2001 sein überlegenes Handheld GP32, das mit dickem Prozessor, großem 320 x 240 Pixel-Display, sowie MP3 und DivX-Unterstützung lockte. Doch nur ein Dutzend Spiele bedeutender Entwickler wurden veröffentlicht und auch der geplante Deutschlandstart 2003 platzte. Erstaunlicherweise wurde das Gerät im vergangen Jahr in Spanien und Portugal veröffentlicht. Heute ist derGP32 nur noch etwas für Retro-Fans und Heimentwickler – dank PC-Link-Möglichkeit und Smart Card, als Medium blüht auf dem GP32 die Emulatorszene, die sich mit C64 und SNES-Spielen sowie alten Lucas Arts-Adventures vergnügt.

GP32

GP32